Zum Vatertag ein besonderes Portrait: Dirk Strecker pflegt seine schwerstkranke Tochter Linn, ist in der Selbsthilfe aktiv und arbeitet für den Bundesverband Kinderhospiz

Ob er sich das Vater-Sein anders vorgestellt hat? Morgen ist Vatertag, und Dirk Strecker lacht gelassen, wenn man ihn darauf anspricht, welche besondere Vaterrolle er hat: „Ich war sowieso noch nie mit Bollerwagen unterwegs“. Stattdessen pflegt der 43-Jährige seine älteste Tochter Linn, wie jeden Tag seit ihrer Geburt vor 15 Jahren. Linn leidet an der äußerst seltenen Krankheit „Pontocerebelläre Hypoplasie, Typ 2“. Durch eine Gendefekt kommt es dabei zu einer Fehlbildung des Kleinhirns, PCH-Patienten haben schwere Behinderungen, Schluckstörungen, epileptische Anfälle, Atemstörungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei sieben Jahren. „Linn kann keinen Moment alleine gelassen werden, ständige Überwachung ist nötig“. Dirk Strecker spricht schnell. Er ist gewohnt, schnell zu reagieren und zu handeln. Schnell kontrollieren. Schnell absaugen.

Eine so schwere Krankheit verändert das Leben einer Familie von Grund auf. „Es war wahrscheinlich gut, dass wir bei Linns Geburt noch keinen fertigen Lebensplan vor unserem inneren Auge hatten, der daran gescheitert wäre“, sagt Dirk Strecker. „Wir konnten die Krankheit eigentlich ganz gut annehmen.“ Annehmen heißt auch: Experte werden. Rein rechnerisch kommt die Krankheit bei 1 Million Menschen nur einmal vor. Spezialisierte Fachärzte zu finden, die individuellen Bedürfnisse der kleinen Patientin herauszufinden erforderte Einsatz und sorgfältige Kommunikation. „Wenn man ein behindertes Kind hat, müssen die Eltern mitmachen. Ärzte müssen einen auf Augenhöhe bringen, es muss sehr gut angeleitet werden und es ist wichtig, die Erfahrung der Eltern zu hören und zu beachten, auch wenn das oft eine Abweichung von den Normen der Schulmedizin bedeutet“, weiß Dirk Strecker.

Als ausgebildeter Krankenpfleger übernahm er die Pflege seiner Tochter von Anfang an größtenteils selbst und spezialisierte sich auch beruflich mehr und mehr auf die besonderen Hilfsangebote, die lebensverkürzend erkrankte Kinder und ihre Familien benötigen. Er leitete einen Kinderintensivpflegedienst und koordinierte den Thüringer Kinderhospizdienst. Inzwischen organisiert er die Pflege von Linn direkt, wofür die Krankenkasse ein Budget stellt: Zehn Menschen sind stundenweise damit beschäftigt, sich um die 15-Jährige zu kümmern. „So haben wir mehr Gestaltungsfreiraum und Verlässlichkeit“, sagt Strecker auch im Hinblick auf den Pflegekraftmangel. Die Familie befindet sich dabei ständig im Spagat zwischen den eigenen Pflegeschichten, der Einsatzkoordination der anderen Mitarbeiter, dem ehrenamtlichen und zeitintensiven Engagement in der Selbsthilfe und dem Versuch, mit der zweiten und gesunden Tochter Ann (9) ein ganz normales Familienleben zu führen.

Dirk Strecker arbeitet außerdem für den Bundesverband Kinderhospiz im Bereich der Betroffenenhilfe. „Es ist für unsere Arbeit äußerst wichtig, immer nah an den betroffenen Familien dran zu bleiben“, erklärt Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz. Dirk Strecker nimmt als Fachmann und betroffener Vater die Rolle eines wichtigen Korrektivs ein; Kraft schätzt die Zusammenarbeit sehr: „Als Dachorganisation der deutschen Kinderhospizeinrichtungen behalten wir stets im Blick, dass die Hilfsangebote in der Kinderhospizarbeit genau auf die tatsachlichen Bedürfnisse der Eltern abgestimmt sind.“

Während man sich noch fragt, wie Dirk Strecker seine vielen Rollen und Aufgaben unter einen Hut bringt, antwortet er bereits: „Das lernt man durch das Leben mit einer solchen Krankheit. Man lernt, klar zu kommunizieren, sich immer auf die nächste Hauptbaustelle zu konzentrieren.“ Und das schnell.